Apocalyptica – when the world strikes back
“Wenn ich erzählen müsste, wie das alles passiert ist, würde ich wohl irgendwann um 2050 anfangen, also vor knapp 100 Jahren.
Damals schmolzen durch den hohen Co2-Ausstoß meiner Vorfahren und der damit verbundenen Erderwärmung beide Polkappen ab. Dadurch stieg der Wasserspiegel um die 20 Meter an, niedrig gelegene Orte wie Holland, Venedig oder die Malediven wurden komplett überschwemmt.
Durch den fehlenden Unterseestrom kalten Wassers von Norden her versiegte der Golfstrom, der Europa erwärmte. Durch die dortige zweite Eiszeit sank zwar das Weltklima wieder ein wenig, allerdings stellte das die Polkappen auch nicht wieder her.
Europa wurde, wie zu vermuten ist, unbewohnbar. Lebewesen wurden zu Eis, Städte versanken im Schnee. Und alle, die überlebten, flohen. Bevorzugt natürlich nach Amerika, aber da die USA anfing zu denken, SIE gingen diese Probleme nichts an und sie hätte selbst genug eigene, beschlossen sie kurzerhand die Flüchtlinge abzuschieben. Zu tausenden wurden sie nach Süden gebracht, durch Mexiko, und einfach in allen möglichen Südamerikanischen Wäldern ausgesetzt. Und schwups, hatte die Menschheit ein neues Problem, als besagte Flüchtlinge beim versuch Fuß zu fassen einfach ganz Südamerika durch Abholzung und schlechter Landwirtschaft in eine Wüste verwandelten. Dafür wurde allerdings die Sahara, wohl als Ausgleich, zu dem, was sie schon einmal war. Den durch den Eiszeitwind aus Europa kühlte auch die ehemals größte Wüste ab und wurde zu einem regelrechten Paradies.
Das neue Eden.
Und so heißt das auch heute noch.
Aber natürlich rissen sich die reichsten und skrupellosesten dieses Stückchen Land, diese anscheinend letzte Planke auf dem Fluss zum Abgrund der Welt, sofort unter den Nagel. Heute ist es ein riesiges, unglaublich gut befestigtes Gebiet, in das niemand rein oder raus kommt. Rein wollen alle, raus nur wahnsinnige, denn die Umstände hier draußen haben sich eindeutig geändert.
Ich hab vergessen zu erwähnen, dass irgendwann kurz vor dem Wüstenwandel der Amazonas versiegte. Fragt mich nicht, wann genau und wie das passiert ist. Das weiß ich nämlich nicht. Die Menschheit hatte anscheinend wichtigeres zu tun, als sich das zu merken.
Zum Beispiel auswandern.
Anscheinend wurde auch Eden Anfang des 22. Jahrhunderts zu wenig, also machte man sich auf den weg zum Mond.
Wer hätte denn ahnen können, dass ein Haufen Wichtigtuer den Mond zerstören kann?
Anscheinend soll er bei Grabungen nach einem Metal, das dort oben eine Atmosphäre aufrechterhalten könnte, zerbrochen sein. Seitdem schweben mehrere Mondteile nebeneinander über den Nachthimmel.
Spätestens dann merkten wir alle, was wir angerichtet hatten und wie gut die Welt doch ohne uns dran wäre. Und anscheinend merkte sie das auch.
Denn dann kamen die Krankheiten.
Welch Ironie war es doch, dass wir sie selbst erfunden hatten, in Zeiten, in denen Sorglosigkeit noch kein Todesurteil gewesen war. Solche wie Geostigma, oder Vampirismus. Damals ein Traum, heute die Hölle und schlimmste Realität.
Die Erde hatte beschlossen, uns los zu werden. Langsam und qualvoll, einen nach dem anderen.
Schwarze Flecken, Sterne, bunte Haare, rote Augen – Man kann die Krankheit leicht erkennen und dann wird man eingeliefert, an die wenigen Orte, an die man noch gehen darf.
Das Niagara Falls Hospital ist einer dieser Orte. Hierher werden wir abgeschoben, wenn wir von der Erde zum Tode verurteilt werden.
Ist man erstmal hier, weiß man, dass man stirbt, nur nicht wann. Man weiß wo, nur nicht warum. Man weiß woran, nur nicht mit wem. Denn man stirbt immer zu zweit. Zwei mit einer dieser Krankheiten.
Uns wird weisgemacht, unsere Krankheiten wären ansteckend und wir wären der Menschheit Galgen. Aber das stimmt nicht. Wir werden alle sterben. Entweder erkranken oder uns selbst umbringen.
Deshalb sind wir unter uns, ganz allein.
Für mich gibt es hier im Krankenhaus nur zwei Arten Menschen: Die einen schließen sich ein, verscharren sich in ihren Zimmern, um niemals einen zweiten Erkrankten zu treffen und niemals zu sterben – zumindest nicht an der Krankheit.
Die anderen genießen ihren letzten Rest Leben. Wenn sie sich unter die anderen trauen, quittieren sie ihren Tod, finden sich damit ab. Oder nicht? Es gibt jene, die den Tod mit einem zweiten suchen, damit sie ihr Leben nicht selbst beenden müssen und jene, die jede Sekunde genießen und sich jedes Mal mehr wünschen, wir stünden nicht am Ende.
Zu welchen ich gehöre? Das frage ich mich auch oft, wenn ich unter dem zerbrochenen Mond an den Niagarafällen stehe und meine Sterne zähle.
Jedes mal, wenn ich einen neuen sehe, weiß ich, die Hölle rückt näher, um mich zu sich zu holen.
Auf dem Mond glaube ich manchmal Menschen erkennen zu können, denn seit dem Zerbrechen ist er so nahe, als könne er uns berühren. Ja, für mich sind das noch Menschen. Feige Erdkriecher! Mensch ist eine Beleidigung geworden, nicht nur für mich. Denn die Menschen zerstörten alles, sie verwirkten unsere Leben.
Ich bin kein Mensch mehr. Ich bin heilig, auserwählt von der Erde, Geweihte des Todes, Opfer der Ausrottung. Oder einfach eine Erkrankte.“